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WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 22016

Foto: Manuela Müller

Freiwilligendienste

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„Ich habe Filmwissenschaften und Kunstgeschichte studiert und hätte auch

gern in diesem Bereich gearbeitet, aber leider wachsen die Jobs da nicht auf

Bäumen.

Ich hatte außerdem das Bedürfnis, mich sozial zu engagieren – und

hab geguckt, was es da so für Möglichkeiten gibt. So bin ich auf den BFD ge­

stoßen. Als zu dieser Zeit dann die Geschichte des kleinen toten Jungen in die

Medien kam, hat mich das für das Thema Flüchtlinge sensibel gemacht und

ich habe relativ spontan beschlossen, in diese Richtung zu gehen. Einfach weil

ich das Gefühl hatte, dass da gerade am dringendsten Hilfe gebraucht wird.

Die Vermittlung ging dann relativ schnell, schon am 1. Oktober ging es los“,

erzählt Ansgar heute, gut ein halbes Jahr später.

„Ich war damals der erste BFDler hier und kam gerade dazu, als eine

Turnhalle erstmalig als Notunterkunft bezogen wurde. Das war für alle eine

neue Situation.“

Trotzdem war Ansgar gleich ein fester Teil des Teams, das ne­

ben den Festangestellten und Ansgar auch aus Praktikanten und vielen ehren­

amtlichen Helfern besteht und sich um rund einhundert Geflüchtete küm­

mert. „Ich selbst mache weniger Büroarbeit, sondern bin als Ansprechpartner

vor Ort für die Menschen da, helfe bei organisatorischen Problemen und be­

gleite die Leute zu Behörden, Ärzten oder ähnlichen Terminen. Man macht

einfach immer das, was gerade wichtig ist.“ So wie zum Beispiel, wenn jemand

ein Problem mit seiner Brille hat und Ansgar mit ihm kurzerhand in die Stadt

zum Optiker fährt. Dass dabei nicht alle Beteiligten eine Sprache sprechen, ist

weniger problematisch, als man denken mag. „Nur wenige haben ausreichen­

de Deutschkenntnisse, da sie meist erst seit wenigen Wochen hier sind,

Englisch sprechen auch nicht alle, aber wir haben Dolmetscher und die Leute

übersetzen auch viel untereinander.“ Schwieriger sei es manchmal, die ver­

schiedenen Kulturen zusammenzubringen, wenn es um ganz alltägliche Dinge,

wie etwa die Müllentsorgung, geht. „Man muss die Regeln immer wieder er­

klären. Den Sheriff zu spielen, macht nicht so viel Spaß, gehört aber eben da­

zu.“ Eine Herausforderung ist außerdem die Tatsache, dass sich die Menschen,

um die sich Ansgar kümmert, in einer absoluten Ausnahmesituation befinden.

„Sie sind aus ihrer Heimat geflüchtet, haben teilweise Traumatisches erlebt

und sitzen jetzt hier, ohne zu wissen, wie es für sie weitergeht. Das darf man

nicht zu nah an sich ranlassen. Und es gibt auch so schöne Momente: Ich bin

letztens mit einem Geflüchteten zu einem Koch gefahren und beide haben zu­

sammen in der Küche gearbeitet. Sie haben sich miteinander ausgetauscht,

ohne dieselbe Sprache zu sprechen und auch noch was Leckeres auf den Tisch

gebracht. Mir macht es Spaß, solche Ideen zur Integration selbst zu entwickeln

und zu begleiten.“

Dass Ansgar dabei eigentlich die theoretischen Grundlagen der Sozialarbeit

fehlen, sieht er nicht als Nachteil.

„Manchmal habe ich das Gefühl, es ist sogar

besser, das nicht alles vorher tottheoretisiert zu haben, sondern es einfach zu

machen.“ Die Seminare, die für Ansgar während des BFD verpflichtend sind,

nimmt er trotzdem gern an: „Ich kann mir das aussuchen, was mich interes­

siert, so wie letztens zum Beispiel eine Fortbildung zum Sprachpartner für

Flüchtlinge – das ist natürlich schon sinnvoll, wenn man eigentlich aus einem

ganz anderen Bereich kommt.“ (mü)

Freiwillig im Dienst

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Als im September letzten Jahres das Bild des Ailan Kurdi, einem kleinen Jungen, der die Flucht über das Meer nach Europa nicht überlebt hatte, durch

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die Medien ging, machte das auch in Deutschland viele Menschen betroffen, manche so sehr, dass sie sich ernsthafter mit dem Thema Flüchtlinge

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auseinandersetzten und beschlossen, zu helfen – so wie der 28jährige Ansgar, der nur einen Monat später seinen Bundesfreiwilligendienst in der

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Flüchtlingshilfe des Deutschen Familienverbandes in Erfurt antrat.

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Bundes-

freiwilligen-

dienst